Dass sich im Leben von Guy L. Lamaye und Luel Mulugeta alles um Elaine dreht, ist nicht zu übersehen. Die zwinkernde Lady mit Dutt und großer Brille ist nicht nur Namensgeberin fünf ihrer sechs Venues, sondern ziert als Tattoo Guys Unterarm und prangt prominent als Anstecker am Revers von Luels Mantel. Sogar als Ring tragen die beiden Gründer ihr Logo, was die Frage aufwirft: Seid ihr verrückt nach Elaine? „Ja, vielleicht. Aber in erster Linie sind wir verrückt nach Essen, Trinken, Musik, Menschen und danach, schöne Orte und Momente zu gestalten“, lautet die bestimmte Antwort. Und darin sind die beiden 31-Jährigen ganz schön gut, wie ihre wachsende Gastro-Welt Elaine’s World eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Elaine
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Elaine ’s Greenhouse schmiegt sich als grüne Oase ins Frankfurter Bankenviertel ein. Die einzigartige Location versteht sich als Rückzugsort im Großtadtdschungel. 

Wenn sich Gegensätze so sehr anziehen, wie bei den besten Freunden aus Schulzeiten, dann werden sie häufig von einer ganzen Reihe Gemeinsamkeiten ergänzt. „Auch wenn wir auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken, sind wir uns doch in vielen Dingen unheimlich ähnlich“, bestätigt Luel. „Irgendwie verlaufen unsere Leben parallel, treffen wir häufig gleichzeitig dieselben Entscheidungen.“ Zum Beispiel, nach dem Abi in Dreieich bei Frankfurt BWL zu studieren – der eine in München, der andere in Köln. Fast synchron auch der Entschluss, das Studium an den Nagel zu hängen und nach Frankfurt zurückzukehren, um dort gemeinsam etwas Eigenes zu auf die Beine zu stellen. Die Gründung einer WG war fast schon die logische Konsequenz, ebenso wie der Job in der Gastronomie, den sie zunächst ganz pragmatisch ergriffen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, bis das eigene Business startreif war.

„Manchmal waren unsere Mütter die einzigen Gäste, die aus Mitleid für einen Cappuccino 20 Euro inklusive Trinkgeld bezahlt haben.“

Guy L. Lamaye

Gastronom, Elaine's World

Start mit Online-Lieferdienst

In den Betrieben von Tim Plasse am Frankfurter Flughafen, später mehrere Jahre in den Restaurants Oosten und Walden von Thomas Klüber lernten sie das Geschäft mit Essen und Trinken von der Pike auf. Schließlich war es an der Zeit, die eigenen ambitionierten Ideen und Pläne in die Tat umzusetzen: Mit „Cakering”, einem Online-Lieferdienst für Kuchen und Süßwaren, starteten sie im Oktober 2013 das erste eigene Unternehmen.

Gerade als das Geschäft Fahrt aufnahm, trat 2016 Elaine in ihr Leben – und veränderte alles: „Eines Tages erfuhren wir, dass einer unserer Kunden, das Café ‘Elaine’ im 170 Meter hohen Taunusturm mitten im Bankenviertel, schließen sollte“, berichtet Luel. „Man suchte einen Nachfolger – also haben wir uns kurzerhand beworben.“ Zum ersten Meeting mit den Vermietern von Tishman Speyer brachten sie selbst gebackene Cupcakes mit. „Wir saßen mit unseren 25 Jahren, langen Haaren und Streetwear acht Leuten im Anzug gegenüber und sagten: Guten Tag, wir haben noch nichts Derartiges vorzuweisen, möchten aber Ihre Fläche mieten“, beschreibt Guy die Szene. Doch Idee und Businessplan für ihr Deli überzeugten. Den Namen Elaine behielten sie bei – er ehrt die New Yorker Künstlerin Elaine Sturtevant, der die erste Ausstellung in der Dependance des Museums für Moderne Kunst MMK2 über dem Café gewidmet war.

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Mit Elaine ’s Restaurant im Hotel The Flag erobern Luel Mulugeta und Guy L Lamaye auch das Terrain des Contemporary Fine Dining.  Alle Fotos: Elaine’s World/Yadi Concepts

Auszeit vom Alltag

Das Konzept für Elaine’s Deli, mit dem sie die gestandenen Real-Estate-Manager abholten, beruht auf dem Wunsch, den Angestellten aus den umliegenden Türmen ebenso wie den „ganz normalen“ Frankfurtern eine Auszeit von ihrem stressigen Alltag zu bieten. „Die Menschen, die in der Umgebung arbeiten, erleben täglich großen Druck und sind Deadlines ausgesetzt. Wir möchten die Leute nehmen wie sie sind und dafür sorgen, dass sie sich gut fühlen“, erläutert Luel. Im Deli lässt es sich beim morgendlichen Kaffee, einer ausgedehnten Lunch-Break oder einem wohlverdienten After-Work-Apéro bei gesundem „Non-Fast-Food“, frischen Drinks und rhythmischer Musik entspannen. Doch vor allem das Wochenende – wenn die Hochhausschluchten verwaist sind –  gestaltete sich zunächst als extreme Herausforderung: „Manchmal waren unsere Mütter die einzigen Gäste, die aus Mitleid für einen Cappuccino 20 Euro inklusive Trinkgeld bezahlt haben“, verrät Guy schmunzelnd. 

„Aber grundsätzlich denken wir nie darüber nach, dass wir scheitern könnten, sondern nur darüber, was wir anders machen müssen, um erfolgreich zu sein.“ „Wir sind emotional flexibel und gehen mit Sorgen konstruktiv um“, ergänzt Luel, „Dabei hilft, dass wir zu zweit sind und uns gegenseitig aufbauen und Mut machen. Zu zweit sind die schlimmen Momente halb so schlimm und die guten doppelt so schön.“ Längst gibt es viele von eben diesen schönen Momenten, zum Beispiel dann, wenn sich im Sommer bis zu 3.000 Leute in der Parkanlage vor dem Deli zur „BamBam Session“ mit elektronischer Musik und kühlen Drinks versammeln.

„Wir wollten nie eine Kette sein, aber wenn man wächst, entsteht schnell dieser Eindruck. In Elaine’s World steht jeder Laden für sich, verbunden durch unsere Philosophie, den Qualitätsanspruch und die Liebe zur Ästhetik. „

Luel Mulugeta

Gastronom, Elaine's World

Chancen statt Schattenseiten von Corona

Auch in der Corona-Pandemie sehen die Freunde lieber die Chancen statt der Schattenseiten. Fünf neue Läden haben sie seit dem Beginn der Krise eröffnet – alle in fußläufiger Entfernung zum Deli. „Die Verträge waren bereits unterschrieben, ein Rücktritt kam für uns nicht in Frage“, erklärt Guy. „Im Lockdown ging es darum, nicht durchzudrehen oder stillzustehen. Die Vorbereitungen für die Openings haben uns gut beschäftigt. Langweilig wurde uns jedenfalls nicht!“ Schon Ende 2017 hatten die Betreiber des im Westend geplanten The Flag West M.-Hotels angefragt, ob Elaine’s den gastronomischen Part übernehmen wollte.

Somit ging im Sommer 2020 in dem Neubau mit 228 Zimmern an der Bockenheimer Landstraße Elaine’s Restaurant an den Start. Es ist mit dem Deli durch die unverwechselbare Gastgeber-DNA verbunden. Die zeitgenössischen Kreationen von Küchenchef Lou Hahn heben den hohen kulinarischen Anspruch auf ein Urban Fine Dining-Level, das durch das Marmor- und Eichen-Interieur selbstbewusst unterstrichen wird. Auch das Frühstück für die Hotelgäste und die Bewirtschaftung des Co-Working Spaces in der Lobby sowie der Rooftop Terrasse im siebten Stock sind Teil des Konzepts.

Elaine

Nicht nur angesichts der langen Tage zwischen Schichtbeginn (4 Uhr morgens) und Küchenschluss (um 23 Uhr) bedeutet dies im Vergleich zum Deli einen großen Schritt in puncto Komplexität, oder? „Klar“, bestätigt Guy, „aber unser Team rund um Joe Pelu Manzambi hat uns mit Ideen und Anregungen unterstützt.“ Und die Gäste? „Viele haben zunächst ein zweites Deli erwartet und Avocado-Brot bestellt. Sie waren überrascht, dass wir auch ‘Restaurant’ können.“

Elaine’s Kosmos wächst

Und nicht nur das, wie die mittlerweile sechs Betriebe in Elaine’s World beweisen, die – jeder für sich – ein breites Spektrum gastronomischer Disziplinen abdecken. In den vergangenen Monaten wuchs der Kosmos um Elaine’s Takeaway – einen poppigen Mini-Supermarkt, der gesundes Fusion-Slow-Food und frische Lebensmittel to go neu interpretiert; Elaine’s Room – eine coole Kaffee- und Aperitivo-Bar auf kompakten 15 qm; sowie Elaine’s GreenHouse – ein grünes Juwel, das in Form eines eigens designten Glashauses seine Gäste mit frischem Essen und kreativen Drinks in eine neue Welt eintauchen lässt.

Einzig das You, Me & the Benjamins verzichtet auf die Namensgeberin Elaine: „Da die Location in unmittelbarer Nähe zum Takeaway liegt, wollten wir einen Kontrast dazu schaffen: eine Nightbar, die bis spät nachts für Stimmung sorgt“, verrät Guy. Benjamin Franklin und ein Hiphop-Song standen Pate für die Location mit Sharing Dishes, stilvollen Drinks und Live-Musik, zu der auch gerne getanzt wird.

elaine
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So verschieden die Konzepte sind, so unterschiedliche Bedürfnisse sprechen sie an. Dank ihrer starken Markenpersönlichkeit weckt Elaine’s große Begehrlichkeiten, sodass ihre Community das zwinkernde Gesicht sogar auf Shirts als Statement trägt. „Wir wollten nie eine Kette sein, aber wenn man wächst, entsteht schnell dieser Eindruck“, analysiert Luel. „In Elaine’s World steht jeder Laden für sich, verbunden durch unsere Philosophie, den Qualitätsanspruch und die Liebe zur Ästhetik. Wichtig ist, dass das Publikum offen ist und diesen Weg mitgeht.“ Bei der Reise durch Elaine’s Welt gibt es dadurch immer wieder Neues zu entdecken. „Dank Corona konnte sich die ganze Kraft der Konzepte noch gar nicht richtig entfalten“, finden die Gastronomen.

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Schmetterlinge im Bauch

Ist Elaines Universum weiterhin expansiv? „Warum nicht?“, sagt Luel mit geheimnisvollem Blick. „Wenn sich weitere Orte finden, bei denen wir Schmetterlinge im Bauch haben …“ Vor allem ihr Erstling, das Deli, löst bei den beiden Unternehmern immer noch ein verliebtes Kribbeln aus, wie sie unumwunden zugeben: „Für uns der schönste Ort der Welt, den wir – wie jeden unserer Läden – täglich besuchen.“ Auch wenn das Wachstum des Unternehmens das Aufgabenspektrum verändert hat und administrative Tätigkeiten viel Zeit binden, bleibt das Gastgeber-Sein ihre Leidenschaft. „Kein Tag im Büro kann die Arbeit in den Läden ersetzen!“

„Du kannst den teuersten und schönsten Laden planen und eröffnen, aber wenn da keine tollen Menschen dahinter stehen, die ihn mit Leben und Wärme füllen, überlegen sich Gäste, ob sie nochmal wieder kommen.“

Luel Mulugeta

Gastronom, Elaine's World

Macht der Erfolg stolz? „Wir sind stolz darauf, als Freunde machen zu können was wir möchten – ohne kreative Grenzen”, präzisiert Guy. „Und unsere Eltern wären vermutlich stolzer, wenn wir unser Studium abgeschlossen hätten. Aber es ist wichtig, dass man seinen eigenen Weg geht.“ Luel stimmt zu: „Wir tun das was wir lieben – so steht man morgens gerne auf.“

 Auf Augenhöhe mit dem Team

Richtig stolz sind beide außerdem auf die Menschen, die sie seit Jahren begleiten und deren Entwicklung und Karriere sie mit ihrem Unternehmen ermöglichen und fördern können. „Du kannst den teuersten und schönsten Laden planen und eröffnen, aber wenn da keine tollen Menschen dahinter stehen, die ihn mit Leben und Wärme füllen, überlegen sich Gäste, ob sie nochmal wieder kommen“, unterstreicht Luel. Das erfordert in der heutigen Zeit Wertschätzung – mindestens! „Wir lieben und respektieren unser Team“, betont Guy. „Es ist Basis unserer Philosophie, dass wir einander auf Augenhöhe begegn