Ganz im Westen Europas findet derzeit eine Wiedergeburt statt: Irland entdeckt seine fast schon totgeglaubte Whiskey-Tradition wieder. In den vergangenen zehn Jahren wuchs die Zahl der Destillerien auf der Grünen Insel von drei auf mehr als dreißig! Auch auf dem Weltmarkt zählen irische Whiskeys zu den Wachstumsstars. Wir haben mit Daniela Brack, Autorin der ersten deutschsprachigen Monographie zum Thema, gesprochen, woher die neue Begeisterung für irische Whiskeys kommt, ob die Erfolgsgeschichte sich fortsetzen wird und welche Whiskeys ihre Favoriten sind. 

Liebt irischen Whiskey ebenso wie Land und Leute: Daniela Brack. Foto: Thomas Thelen

Frau Brack, wie kommt es, dass irischer Whiskey seit einiger Zeit wieder in aller Munde ist?

DB: Etwa seit dem Jahr 2000 schon befindet sich die irische Whiskey-Tradition, die, was wenige wissen, mindestens ebenso alt und ruhmreich ist, wie die schottische, tatsächlich in einer Renaissance. Irland war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein der Weltmarktführer für Whiskey. Wer Whiskey sagte, dachte automatisch an irischen Whiskey.

Das hat sich dann bis zum 2. Weltkrieg ins genaue Gegenteil verkehrt, was viel mit wegbrechenden Exportmärkten, zum Beispiel durch die Auseinandersetzung mit den Briten und der Prohibition in den USA, zu tun hatte. 

Bis in die 1990er Jahre gab es anschließend nur noch zwei Produzenten in Irland, die noch dazu in den Händen internationaler Getränkekonzerne waren – Pernod Ricard und Diageo. Vor diesem Hintergrund hatte ein junger Ire – beflügelt vom wirtschaftlichen Aufschwung des Landes nach dem EU-Beitritt – die Idee, wieder eine echt irische Whiskey-Destillerie zu gründen. Sein Name war John Teeling, er eröffnete 1987 die Cooley-Destillery. Seitdem hat sich die irische Whiskey-Landschaft komplett gewandelt: weg vom Duopol hin zu einer Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen, oftmals in Familienhand, die alte Markten und Brennmethoden wiederbeleben. Irischer Whiskey verzeichnet seit einigen Jahren international das schnellste Wachstum bei den Premium-Spirituosen.

Laut dem Branchenverband Drinks Ireland greifen die Iren mehr und mehr zu Premium-Spirituosen, neben Whiskey vor allem zu Gin, dessen Umsatz allein von 2017 auf 2018 um mehr als 30 Prozent zulegte. Die Zahl der Whiskey-Destillerien wuchs zwischen 1987 und 2019 auf mehr als 30.

Wird der Boom Ihrer Meinung nach anhalten?

Ja, das glaube ich schon, denn bisher gelten irische Whiskeys vielfach noch als Geheimtipp. Dabei ist Irland mit dem Austritt Großbritanniens die einzige verbleibende tradtionelle Whiskey-Nation in der EU. Ich rechne deshalb fest damit, dass irische Whiskeys in den kommenden Monaten verstärkt in den Fokus von Handel und Gastronomie rücken werden.

„Mit dem Austritt Großbritanniens ist Irland die einzige traditionelle Whiskey-Nation in der EU.“

Daniela Brack

Autorin

Was macht irischen Whiskey denn so besonders? Was zeichnet ihn aus?

Zum einen gibt es eine Whiskey-Sorte, die nur in Irland produziert wird: der Single Pot Still aus gemälzter und ungemälzter Gerste. Und die Iren brennen ihre Whiskeys normalerweise dreifach in kupfernen Brennblasen, wodurch ein etwas runderer, süßlicherer Geschmack entsteht. Das ist nicht zwingend gefälliger, auch in Irland gibt es getorfte Whiskeys, aber der traditionelle irische Whiskey hat nicht dieses strenge, torfige Aroma, das den schottischen Whiskeys oft zueigen ist. Wobei ein Schotte aus der Speyside auch schon wieder ganz anders schmeckt. 

Whiskey ist ja häufig noch ein Männerthema, aber man hört, dass sich gerade für irischen Whiskey auch Frauen begeistern können. Ist das so? Wie haben Sie sich in irischen Whiskey verliebt?

Ich glaube, das ist ein Klischee. Bei mir persönlich begann es damit, dass ich mich in das Land und die Leute verliebt habe. Just zu einer Zeit, als John Teeling gerade die Cooley Destillerie eröffnet hatte. Also habe ich auch die großen Standardmarken getrunken – Jameson, Bushmills und so weiter. 

Meiner Meinung nach beruht der Erfolg des irischen Whiskeys nicht nur auf seiner leichteren Zugänglichkeit, sondern auch darauf, dass in keinem anderen Land die Whiskey-Produktion so eng mit der Geschichte verknüpft ist. Da geht es mir wie beim Weintrinken: Wenn ich einen guten Jahrgang aufmache, überlege ich mir, was in dem Jahr passiert ist.

Wenn ich irischen Whiskey trinke, denke ich darüber nach, wer ihn gemacht hat. Durch mein Buch kenne ich glücklicherweise die meisten Produzenten und ihre Geschichten persönlich. Es ist sehr spannend, sich damit zu beschäftigen. 

Mystisch: Die Glendalough Destillery in Wicklow beruft sich auf den Mönch Sankt Kevin, der hier im Osten Irlands im 6. Jahrhundert den Whiskey erfunden haben soll.  Foto: Glendalough Distillery

Das kommt dem Trend zum Storytelling bei der Produktvermarktung natürlich entgegen …

Die Deutschen haben nicht erst seit Heinrich Böll eine besondere Beziehung zu Irland, aber es ist schon richtig, dass irische Whiskeys die Sehnsucht vieler Konsumenten hierzulande nach authentischen, handgemachten Produkten besser bedienen als beispielsweise schottische, hinter denen die Marketing-Maschinerien der großen Konzerne stehen. Und die Geschichten der Iren sind echt: Die West Cork Destillerie wurde beispielsweise von drei Freunden gegründet, von denen zwei zuvor als Fischer ihr Geld verdient haben. Das wurde nicht in irgendeinem Marketing-Büro erfunden. 

Irlands flüssiges Gold: Jahrzehntelang fast in der Versenkung verschwunden, stehen die feinen Tropfen von der grünen Insel inzwischen für Eigenständigkeit, Handwerkskunst und Innovation. Daniela Bracks Buch ‚Irish Whiskey – Phoenix von der Grünen Insel‘ versteht sich als Genuss(ver)führer und Nachschlagewerk für Einsteiger und Connaisseure und ist das einzige deutschsprachiges Buch zum Thema. Außerdem ausgezeichnet mit dem World Cookbook Gourmand Award 2020 als Bestes Buch in Deutschland in der Kategorie „Whisky and related“.

160 Seiten, Verlag: Hädecke Verlag (11. März 2019), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3775007881, ISBN-13: 978-3775007887

Aber ein gutes Produkt und eine spannende Geschichte machen ja noch lange keinen Erfolg auf dem Weltmarkt.

Wie schaffen es die jungen Wilden, sich gegen die großen Marken durchzusetzen?

Da ist viel der unschätzbaren Vorarbeit und Leistung von John Teeling zu verdanken, der den irischen Whiskey wieder ins Bewusstsein der Konsumenten weltweit gerückt hat. Letztendlich setzen sich aber natürlich die Qualität und die Innovation der Produkte durch, mit denen irische Destillerien an internationalen Wettbewerben und Ausschreibungen teilnehmen und immer wieder ausgezeichnet werden. Sie überzeugen einfach beim Kunden.

Die Iren haben außerdem ein paar Freiheiten, die es in Schottland nicht gibt. Viel läuft auch über die Bar-Schiene, wenn irische Whiskeys beispielsweise in Cocktails oder Longdrinks verwendet werden. Und die Leute sind neugierig, wenn sie bei Fachhändlern neue Marken finden, die sie noch nicht kennen. 

Reifezeit: Mindestens drei Jahre muss auch der irische Whiskey ins Fass. Hier das Lager der Kilbeggan Destillery, Irlands ältester (wieder) aktiver Destillerie. Foto: Beam Suntory

„Irische Whiskeys bedienen die Sehnsucht der Verbraucher nach authentischen Produkten mit einer Geschichte.“

Daniela Brack

Autorin

Welche irischen Whiskeys würden Sie Barbetreibern und Händlern denn empfehlen?

 Ich würde jedem raten, eben nicht mit den Standards anzufangen, die es in jedem Supermarkt gibt. Zum Einstieg empfiehlt sich zum Beispiel ein Whiskey der Temple Bar Destillerie, weil viele Deutsche das Dubliner Ausgehviertel von einem Besuch in der irischen Hauptstadt kennen. Im Preissegment um die 30 Euro bekommt man schon tolle Sachen, hier gibt es durchaus Ungewöhnliches zu entdecken. Wenn es denn eine große Marke sein soll, greifen Sie doch mal zu einer der besonderen Abfüllungen von beispielsweise Bushmills. Und ich würde jedem empfehlen, selbst zu probieren und sich ein eigenes Bild zu machen!