Corona zwingt die Gastronomie zum Stillstand: Seit März sind alle Restaurants in Deutschland wegen des Virus geschlossen. Hunderttausende Betriebe kämpfen ums Überleben, starten Lieferdienste und Take-away-Angebote, die den Umsatzverlust allerdings kaum ausgleichen können. Viele fürchten, die Hilfskredite vom Staat niemals zurückzahlen zu können und fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Die Düsseldorfer Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan erklärt, warum sie sich mehr Unterstützung wünscht, ein Exit-Szenario für das Gastgewerbe so wichtig wäre und die Branche mehr Wertschätzung von Politik und Gesellschaft verdient. 

Frau Rapp-Schwan, wie geht es Ihnen gerade?

Kerstin Rapp-Schwan: Bescheiden. Unsere fünf Düsseldorfer Restaurants sind seit Wochen geschlossen. Seit der Pressekonferenz der Bundeskanzlerin am Mittwoch steht fest: Keiner weiß, wie lange noch. Wir haben zwar inzwischen an allen Standorten einen Liefer- und Abholdienst eingerichtet, der auch ganz gut angenommen wird, aber das ist umsatzmäßig natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie viele andere Gastronomen fühle ich mich von der Politik komplett im Stich gelassen!

Haben Sie denn keine Hilfsgelder bekommen?

KRS: Da unsere fünf Restaurants trotz unterschiedlicher Gesellschafterstruktur als Verbundunternehmen gewertet werden, bekomme ich keine Hilfsgelder, die nicht zurückgezahlt werden müssten. Wären wir kleiner, hätten wir die Hilfen als Zuschuss erhalten. Aber natürlich habe ich mit  130 Mitarbeitern und fünf Restaurants auch mehr Ausgaben als ein kleiner Betrieb. Die Kostenstruktur ist ja nicht viel anders als bei Einzelrestaurants – im Gegenteil: Wir haben einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand. Da ist von politischer Seite überhaupt nicht nachgedacht worden. Aber Hauptsache, Adidas und die Automobilbranche werden gerettet!

Gemütliche Atmosphäre, herzlicher Service, vertraute Hausmannskost: Die Schwan-Restaurants sind für ihre Gäste wie ein zweites Zuhause. 

Was müsste anders gemacht werden?

KRS: Wir brauchen ganz dringend mehr Unterstützung, die wirklich hilft. Kredite gehören nur bedingt dazu, weil die wenigsten Gastronomen den Spielraum haben, sie auch zurückzuzahlen. Die jetzt verlorenen Umsätze in diesen normalerweise besten Monaten des Jahres werden ganz sicher niemals wieder hereingeholt, auch wenn Herr Söder seit Neuestem vollmundig anderes verspricht. Viele Menschen sind ja so verängstigt, dass sie sich kaum in gut besetzte Restaurants trauen werden. Niemand weiß, wann unsere Geschäfte wieder laufen werden, wie ursprünglich kalkuliert.

Diese Hilfen können sich gerne danach richten, wie ein Unternehmen in den vergangenen Jahren gewirtschaftet hat. Wir haben zum Beispiel in 18 Jahren immer pünktlich unsere Steuern bezahlt, nie Verluste und Gewinne gegengerechnet und viele Arbeitsplätze geschaffen.

Verstehen Politiker die Nöte der Branche nicht?

KRS: Die Botschaft, dass die Politik die Gastronomie nicht als „systemrelevant“ ansieht, ist mittlerweile in der Branche angekommen. Wir haben einfach keine Lobby. Allerdings sehen wir das komplett anders: Nicht nur, dass wir ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber sind, Millionen an Steuern zahlen – eine Gesellschaft braucht Orte, an denen man zusammenkommen, den Tag bei einem guten Essen oder einem Glas Wein ausklingen, Freunde treffen und neue Leute kennenlernen kann. Da wird gerade ein wichtiges Kulturgut kaputtgemacht, denn sicher ist: Viele kleine und kreative Unternehmen werden auf der Strecke bleiben!

Als Gastronom arbeitet man mehr als manch anderer Unternehmer. Trotzdem lieben wir, was wir tun und setzen uns mit voller Kraft für unsere Betriebe und Gäste ein. Und es ist übrigens nicht nur derjenige ein guter Gastronom, der Reichtümer verdient – viele sind leidenschaftliche und hervorragende Gastgeber, ohne dass sie viel zurücklegen können. Es wird endlich Zeit, dass unsere Leistung von der Gesellschaft und der Politik anerkannt wird!

Kerstin Rapp-Schwan führt seit mehr als 18 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Martin Rapp fünf Restaurants in Düsseldorf und Umgebung. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie sieht sich die Unternehmerin in ihrer Existenz bedroht und warnt: „Viele gastronomische Betriebe werden verschwinden!“

Könnten Sie denn die Auflagen einhalten, wenn die Gastronomie unter bestimmten Bedingungen wieder öffnen dürfte?

KRS: Ja, ich denke schon, dass wir uns darauf einstellen könnten. Allerdings müssten wir zunächst einmal wissen, welche Auflagen das sind. Aber da kommt ja keinerlei Information von der Politik. Vermutlich, weil dort niemand begreift, wie die Abläufe in Restaurants funktionieren. Politiker müssen ja auch nicht jede Branche verstehen, aber deshalb erwarte ich, dass sie Berater ins Boot holen, wenn es um Entscheidungen geht, die die Zukunft dieser Branche maßgeblich mitbestimmen werden. Es wäre deshalb wirklich wichtig, dass, bevor Auflagen beschlossen werden, Profis mitreden dürfen, die Gastronomie in ihrem Gesamtkontext verstehen. Am besten Vertreter kleiner, mittlerer und großer Unternehmen, damit alle Belange berücksichtigt werden.

Mit Lieblingsgerichten aus „Oma Käthes“ Rezeptbuch wie dem berühmten „Schwanitzel“  sind die Schwan-Restaurants bei den Düsseldorfern und ihren Gästen eine gefragte Ausgehdestination. Fotos: Schwan

Was macht die Krise mit Ihnen persönlich?

KRS: Das alles ist natürlich sehr belastend. Wir sind völlig unschuldig in diese Situation geraten – 2019 war das beste Jahr in unserer fast 20-jährigen Unternehmensgeschichte, es gab keinen Grund daran zu zweifeln, dass auch 2020 ein gutes Jahr wird. Dann dieser Schlag, den wir – anders übrigens als die verantwortlichen Politiker – nicht vorhersehen konnten. Die täglichen Sorgen wirken sich auch auf unser Familienleben aus. Da mein Mann und ich das Unternehmen gemeinsam führen, geht es buchstäblich um unsere Existenz. Das ist etwas anderes, als wenn ein Beamter vorübergehend im Home Office arbeiten muss und deshalb Stress hat. Unsere achtjährige Tochter ist für mich die Heldin in dieser Situation: Sie muss wirklich viel ertragen gerade und meistert das sehr tapfer!

Kochen für Helden

Die Schwan-Restaurants beteiligen sich an der Aktion „Kochen für Helden“, bei der bundesweit fast 100 Restaurants Mitarbeiter in sogenannten Funktionsberufen mit kostenlosen Mahlzeiten versorgen. Gegründet unter anderem vom Berliner Restaurant Tulus Lotrek und Tim Mälzer, verwertet ‚Kochen für Helden‘ Lebensmittel, die in der Gastronomie derzeit nicht gebraucht werden, um die Menschen, die trotz Corona nicht zu Hause bleiben können, zu unterstützen. Schwan-Küchenchef Thomas Verfürth und sein Team kochen so rund 50 Mahlzeiten am Tag für ein Krankenhaus in Düsseldorf.

Wird es mit den Schwan-Restaurants weiter gehen?

KRS: Das weiß ich nicht. So lange keiner sagen kann, wann wir wieder öffnen dürfen, wage ich keine Prognosen. Es ist wie an der Bushaltestelle: Wenn ich weiß, der Bus kommt in zehn Minuten, warte ich. Kommt er in einer Stunde, nehme ich eventuell ein Taxi. Aber in dieser Krise gibt es für uns keinen Fahrplan, aufgrund dessen man Entscheidungen treffen könnte.

Aber wir sind im Kampfmodus, tun alles, was wir können, um zu überleben. Also das, was Politik und Gesellschaft von Unternehmern erwarten. Umgekehrt erwarten wir, dass die Politik uns in dieser einzigartigen Notlage hilft. Ob es reichen wird? Das werden wir erst in mehreren Monaten sehen.

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