Simon Horn ist Koch, Restaurantbetreiber, Mitbegründer eines Bier-Startups und kreativer Kopf, der Kulinarik als wesentlichen Teil moderner Stadtgestaltung undogmatisch neu denkt – innovativ, inklusiv und identitätsstiftend. Mit seiner „Frankfurter Küche“ bringt er alle an einen Tisch. 

„Wir waren verrückte Überzeugungstäter!“, sagt Simon Horn schmunzelnd über die Entscheidung, 2012 gemeinsam mit Raffaela Schöbel das Restaurant „Margarete“ in der Frankfurter Braubachstraße zur eröffnen. Schon der Standort erforderte einigen Mut, denn vor der Tür befand sich damals eine der größten Dauerbaustellen in der Frankfurter Innenstadt: Nach dem Abriss des asbestverseuchten Technischen Rathauses entstand an seiner Stelle Frankfurts „neue Altstadt“ – heute ein Touristenmagnet und beste Lauflage zwischen Museen, Shopping, Dom und dem Römerberg samt Standesamt. „Wir waren in unseren Zwanzigern und ziemlich naiv“, gibt Horn zu. „Aber es war die Chance unseres Lebens – ich bin froh, dass wir sie ergriffen haben.“  

Besseres Bier für die Apfelweinstadt Frankfurt: Gastronom Simon Horn plant eine eigene Brauerei in der Mainmetropole.

Alle Fotos: Margarete, Frankfurter Brauunion

Simon Horn

Wohnküche für die Stadtgesellschaft

Kennengelernt hatten sich der Koch und die Kulturanthropologin in Horns erstem Restaurant „Blumen“, dessen Cateringsparte Schöbel leitete. Simons Horns innovativer Kochstil und Raffaela Schöbels Gespür für perfekte Gastgeber-Momente ergänzten sich bestens und so taten sie sich zusammen, um im neuen „Haus des Buches“ mit dem „Margarete“ einen urbanen Ort zu schaffen, der ihrer Meinung nach in Frankfurt fehlte: eine Wohnküche für die Stadtgesellschaft aus Bürgern und Besuchern, an deren Tischen jeder willkommen ist.

Der von Margarete Schütte-Lihotzky in den 1920er Jahren in Frankfurt entwickelte Urtyp der modernen Einbauküche stand mit seinem klaren Design und optimierten Arbeitsabläufen Pate für das Konzept einer anspruchsvolle Kulinarik ohne Effekthascherei, dargeboten in einem entschleunigenden, kunstaffinen Ambiente. „Frankfurter Küche“ klang allerdings zu sehr nach einer weiteren Apfelweinkneipe. Also huldigt der Name des Restaurants deren Erfinderin: „Margarete“ eröffnete mit 300 Sitzplätze, aufgeteilt auf Restaurant, Café, Bar, Bistro und Terrasse, dazu ein Ausstellungs- und Veranstaltungsraum – „die zehnfache Komplexität des ‚Blumen’“, so Horn.

Margarete
Das Restaurant Margarete nahe der „Neuen Altstadt“ gehört zu den spannendsten Konzepten Frankfurts. 

Stammgästen immer etwas Neues bieten

Das Wagnis gelang: Das „Margarete“ zählt seit bald zehn Jahren zu den spannendsten Restaurants der Stadt. „Frankfurter Küche heißt für uns nicht, dogmatisch und permanent die Regionalsau durchs Dorf zu treiben“, sagt Horn. „Wir haben aber großen Spaß daran, mit lokalen Produzenten zusammenzuarbeiten und Klassiker lustvoll in neuem, zeitgemäßem Licht zu präsentieren.“ Von Anfang an war eine gewisse Dynamik wichtig für das Konzept: „Das Schönste, was ein Restaurant haben kann, sind Stammgäste. Doch gerade ihnen muss man immer wieder Neues bieten. In den vergangenen neun Jahren haben wir das das Profil immer weiter geschärft“, beschreibt Horn die schrittweise Evolution. „Unsere Gäste sind den Weg mitgegangen.“

„A-la-carte-Küche ist Hochleistungssport“

Simon Horn

Gastronom

2017 erweiterte man das Eventgeschäft um die erste Off-Location NM57 in einem ehemaligen Bürogebäude mitten im Bankenviertel. Bis 2018 veranstaltete das Margarete-Team dort wöchentliche Afterwork-Partys, Barabende und Konzerte: entspannt, unprätentiös und dennoch außergewöhnlich, so der Anspruch. 2019 folgte der Umzug auf das ehemalige Neckermann-Gelände am Danziger Platz im Frankfurter Osten – eine Gegend just im Umbruch von schäbig zu schick. Hier trifft man sich nun freitäglich im „Danzig am Platz“ zum „Feierabend“ bei Bier und Bratwurst auf Holzbänken vor der Garage. Beschränkte sich das kulinarische Angebot bislang eher auf Bodenständiges vom Grill, sind in Zukunft auch anspruchsvollere Events vom runden Geburtstag bis zur Firmenfeier mit 1.000 Personen geplant. 

Danzig am Platz

Unnachhaltiger Leerstand

Horn und Schöbel agieren dort darüber hinaus als Vermieter von aktuell 4.000 der insgesamt mehr als 31.000 Quadratmeter großen, lange ungenutzten Bürofläche. „Gemeinsam mit der Eigentümerin Census arbeiten wir derzeit an Konzepten für die übrigen Räume. Indem wir diesen völlig unnachhaltigen Leerstand mit einem interdisziplinären Konzept

beleben, schaffen wir einen Mehrwert für alle Beteiligten, bis auf dem Gelände 2024 etwas Neues entsteht“, erklärt Horn. Inzwischen ist ein bunter Mix aus Ateliers, Werkstätten, Kulturschaffenden, sozialen Einrichtungen und Startups eingezogen.

 „Frankfurt braucht wirklich besseres Bier!“

Simon Horn

Gastronom

Gedacht war das Areal am Ostbahnhof übrigens ursprünglich als Bier-Lager. Denn Simon Horn ist längst nicht mehr nur Koch, Restaurantbetreiber, Caterer und Immobilien-Profi: Seit drei Jahren braut er auch, beziehungsweise lässt brauen: das Fxxxxfxxxxr Helles, das nicht „Frankfurter“ heißen darf, weil es – noch – in Franken abgefüllt wird. Doch das soll sich ändern: „In zwei Jahren wollen wir eine Brauerei mit Gasthaus in Frankfurt eröffnen“, kündigt Horn an.

„Die Idee lautete, ein Bier von Gastronomen für Gastronomen zu entwickeln“, erläutert der Multi-Unternehmer. Dazu haben er und Raffaela Schöbel gemeinsam mit Geschäftsführer Sven Weisbrich 2020 eigens die Frankfurter Brauunion GmbH gegründet.

„Wir legen bei unserer Weinkarte so viel Wert auf Qualität – es passt nicht zu unserem Anspruch, die Biertrinker mit einem Fernsehbier abzuspeisen. Gleichzeitig ist uns Craft Bier zu verkopft und oft auch zu ausgeflippt. Unser Fxxxxfxxxxr Helles soll die Lücke schließen und kulinarische Identität für die Stadt stiften. Denn Frankfurt braucht wirklich besseres Bier!“

Wegbierkiosk versorgt durstige Passanten

Das sehen offenbar auch die Verantwortlichen der Wirtschaftsförderung Frankfurt so, die das Projekt kürzlich für den Frankfurter Gründerpreis 2021 nominierten. Verschwinden die Xe, wenn in Frankfurt gebraut wird? „Eigentlich ist das unser Ziel“, sagt Horn. „Aber das gäbe wohl einen Aufstand unter den Fans!“ Deren Zahl wächst: 250.000 Flaschen Fxxxxfxxxxr Helles wurden 2019 verkauft, 2020 waren es schon 500.000 – überwiegend in der Frankfurter Gastronomie sowie im eigenen „Wegbierkiosk“ am Danziger Platz. Der versorgt – nicht nur während der Corona-Lockdowns – durstige Passanten mit hopfigen Kaltgetränken und wickelt außerdem den Online-Vertrieb ab. 

Frankfurter Brauunion
Die Frankfurter Brauunion (v.l.) : Simon Horn, Raffaela Schöbel und Geschäftsführer Sven Weisbrich. 

Momentan zeigt das Helle als Sonderedition „Fxxxxfxxxxr Buntes“ Regenbogenflagge und setzt damit auch in anderen deutschen Städten ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt – für Horn und Schöbel ein wichtiges Anliegen. Der Gewinn geht an die Initiative Laut gegen Rechts. Im Handel sieht Horn das Fxxxxfxxxxr, das es mittlerweile auch als alkoholfreies Radler sowie in saisonalen Special-Varianten gibt, nur bedingt.

„Wir verstehen das Produkt als Premium-Bier für die Gastronomie, auch wenn wir uns während Corona anderen Kanälen etwas geöffnet haben. Der Preisdruck im Handel ist immens – wir positionieren uns deshalb eher in „Späti“-Formaten wie dem Wegbierkiosk. Möglicherweise werden wir davon demnächst weitere in Frankfurt eröffnen.“ Ein erster Ableger ist bereits in gestartet: auf der Terrasse des Frankfurter Hilton Hotels!

Küchenexpertise kann sich sehen lassen

Am Herd des „Margarete“ steht der Autor des 2008 veröffentlichten Buchs „Kochen mit Alkohol“ regelmäßig bei Business Events und privaten Dinners oder wenn er zusammen mit Küchenchef Samuel neue Gerichte für die Speisekarte entwickelt. Auch zu Hause für die Familie oder – ganz frugal – beim Camping in der Wildnis kocht der dreifache Vater gerne. Seine Küchenexpertise kann sich sehen lassen: Unter anderem zeichnete er mitverantwortlich für das kulinarische Programm des später mit einem Michelin-Stern prämierten und für seine Nachhaltigkeit gelobten Restaurants Seven Swans sowie für ein Pop-Up-Restaurant im Fine-Dining-Tempel Villa Metzler. Fehlt ihm das Tagesgeschäft in der Küche? „A-la-carte-Kochen ist Hochleistungssport, das geht nicht nebenher. Meine Aufgaben sind aktuell andere.“ 

Margarete

Vorneweg: dem Betrieb nach Corona wieder den Vorkrisen-Schwung zu verleihen. Schon während des Lockdowns kamen Horn und seine 35-köpfige Mannschaft schnell ins Handeln, als sich abzeichnete, dass das Restaurant längere Zeit geschlossen sein würde. Nach nur neun Tagen verschickte das Team die ersten ‚Margarete für zu Hause’-Kochboxen: Blümchen, Kerzen und die passende Playlist inklusive. Längst wurde das Angebot für treue Gäste um eine B2B-Offerte erweitert, die auch nach dem Lockdown fortbestehen soll.

„Allein im Dezember konnten wir fast 2.000 Boxen an Mitarbeiter von Unternehmen schicken, die ihre Weihnachtsfeier als Online-Stream begehen mussten“, berichtet Horn.

Nachfrage nach Hybriden Events wird hoch bleiben

Er ist fest davon überzeugt, dass die Nachfrage nach hybriden Events hoch bleibt. „Mit unseren F&B-Paketen steuern wir die nötigen Emotionen bei und schaffen gemeinschaftliche Erlebnisse und Team-Spirit trotz räumlicher Distanz.“ Die logistische Drehscheibe für den Boxen-Versand befindet sich mit Lager und Packstraße ebenfalls am Danziger Platz. Neben dem eigenen Bier, Margarete-Fertigprodukten und verschiedenen Boxen werden von hier aus auch Wein- und Champagnerbestellungen auf den Weg zum Kunden gebracht. Marketing? Nein, ein Profitcenter, wie Horn betont. 

Simon Horn
Bringt sein Unternehmen mit Kochboxen und Streaming Events durch den zweiten Corona Winter: Simon Horn. 

„Wir sehen es als unsere Aufgabe, immer wieder Talking Points kreieren“, beschreibt Horn die Impulse, die er mit seinem Team regelmäßig für die Gastro-Szene der Stadt setzt. „Dabei erobern, teilen und prägen wir gerne gemeinsam mit anderen unbesetztes Terrain.“

Neue Frankfurter Küche

Also immer noch ein bisschen waghalsig-verrückt – obwohl inzwischen „schon“ Ende 30? „Wenn man Spaß an einer Sache hat, muss man sich auch mal trauen, etwas Angst zu haben: Als Belohnung winkt die Freude, wenn es funktioniert“, stellt Horn fest. Sein nächstes ambitioniertes Projekt geht er ebenfalls optimistisch an: „Wir wollen eine ‚neue’ Frankfurter Küche definieren, dabei Köche und kulinarische Strömungen aus der ganzen Stadt in Eventformaten zusammenbringen und Frankfurt so zusammen mit Kolleginnen und Kollegen zu kulinarischem Stolz verhelfen. Warum nicht mal Frankfurter Kranz und Baklava vereinen oder Grüne Soße mit frittiertem Sepia?“ Urbanes Leben und die entsprechende Kulinarik neu zu denken, einen aktiven Beitrag zu einer lebendigen, bunten Gesellschaft zu leisten und seine Heimatstadt so ein bisschen schöner machen, all das ist der Antrieb des kreativen Kopfs und seiner Mitstreiter: „Denn wir sind einfach verknallt in Frankfurt!“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Septemberausgabe 2021 der Zeitschrift Fizzz. Da Raffaela Schöbel, weiblicher Part des gastronomischen Powerpaars Schöbel & Horn, zum Zeitpunkt des Interviews  eine operative Auszeit nahm, so wurde aus dem geplanten Doppelporträt zweier Unternehmer, die seit rund zehn Jahren die Frankfurter Gastro-Szene mit ihren komplementären Stärken, Ideen und Impulsen bereichern, die Nahaufnahme nur einer Hälfte des Erfolgsduos.