Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Zwischen 2009 und 2017 sank der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch nach Angaben des Deutschen Brauer Bundes von knapp 110 Litern pro Jahr auf gut 101 Liter. Gleichzeitig wird so viel über Bier geredet wie schon lange nicht mehr: Begriffe wie Pale Ale, IPA, Goose und Stout sind in aller Munde, doch bezogen auf den Umsatz bleiben die neuen Craft Biere ein absolutes Nischenthema.

Im Windschatten der Diskussion um Handwerklichkeit und Originalität gewinnen allerdings Vielfalt und Auswahl auch bei klassischen Bieren zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig werden im Zuge des Gesundheitstrends alkoholfreie Varianten, die sich bestens als isotonische Durstlöscher eignen, und Mixgetränke mit niedrigerem Alkoholgehalt von immer mehr Verbrauchern bevorzugt.  

Favorit im Biergarten

Hiervon profitiert eine Bier-Spezialität, die in Deutschlands – und ganz besonders den bayrischen – Biergärten schon lange zu den Favoriten gehört und sich mittlerweile nicht mehr nur südlich des Mains im Portfolio vieler Brauereien findet: das Weiß- oder Weizenbier.

Mit seinem fruchtigen Aroma ist es besonders erfrischend und eignet sich bestens zur Kombination mit Fruchtsäften – Stichwort: Banane! – und Sirupen. Rechnet man alle Sortenvarianten zusammen, ist das Segment bundesweit die Nummer 2 im Markt, auch dank guter Wachstumszahlen bei alkoholfreien Weizenbieren und Weizen-Mixes sowohl im Handel als auch in der Szene-Gastronomie. Und das auch über das einstige Stammland Bayern hinaus!

„An dieser Entwicklung hat unser Schöfferhofer maßgeblichen Anteil“, erklärt Marketingleiterin Juana Leister.„Seit Jahren schon gehört es nicht 

nur zu den national führenden Weizenbieren; wir positionieren uns auch ganz bewusst als moderne, urbane und weltoffene Weizenbiermarke, ganz ohne typisch bayrische Weißbierklischees.“

Alkoholfrei legt zu

Laut Auskunft der Radeberger Gruppe entwickeln sich vor allem die alkoholfreien Varianten und die Mixes wie Schöfferhofer Grapefruit erfreulich. „Sie bedienen den Wunsch der Konsumenten nach Abwechslung im Alltag“, so Leister. „Unsere Aufgabe bleibt, diese Positionierung weiter zu schärfen, mit frischen Impulsen emotional aufzuladen und attraktiv zu halten, um Stammkunden zu bestätigen und neue Zielgruppen zu gewinnen.“

Das Bedürfnis nach mehr Ursprünglichkeit stärkt nicht nur die großen nationalen Marken, sondern auch die regionalen Biere wie den nordbayrischen Marktführer Kapuziner Weißbier aus der Kulmbacher Brauerei. „Aufgrund unserer Sortimentstiefe und des traditionell-handwerklichen Charakters konnten wir unser kontinuierliches Wachstum auch in den letzten Jahren fortsetzen“, berichtet Produktmanagerin Doreen Metzner.

Trend zu regionalen Spezialitäten

Mit neuen Sorten wie dem etwas dunkleren Kapuziner Kellerweizen greift das Unternehmen erfolgreich den Wunsch der Verbraucher nach milden, unfiltrierten Bieren auf. Als Wachstumstreiber kann sich auch Kapuziner Alkoholfrei profilieren, das mittlerweile einen Anteil von 16 Prozent am gesamten Absatz der Marke verzeichnet. Zur Starkbierzeit punktet die Brauerei außerdem mit ihrem naturtrüben Weißbier Bock. „Der Trend hin zu authentischen regionalen Bierspezialitäten hat in unseren Augen gerade erst begonnen“, kommentiert Metzner. „Wir sehen uns in unserer Strategie bestärkt.“

Dem kann Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel in Bayreuth, nur zustimmen. Er erfährt von Gastronomen, dass ihre Gäste besonders viel Wert auf ein „echtes“ Weißbier aus Bayern legen. „Dahinter steht die Sehnsucht nach Verlässlichkeit und Heimatgefühl“, erklärt der Experte. „Außerdem fragen die Konsumenten immer häufiger moderne Bierstile, also Craft Biere, nach.“ 

Da hat das obergärige Weißbier einiges zu bieten: „Weizenböcke, hopfengestopfte Weißbiere oder Weizen-IPAs, die wir unter unserer Craft-Bier-Linie Maisel & Friends dauerhaft im Sortiment haben, gewinnen dadurch immer mehr Aufmerksamkeit“, so Maisel. 

Breite Produktpalette sorgt für Abwechslung

Für noch mehr Strahlkraft hat die Brauerei im vergangenen Sommer ihre fünf Maisel’s Weisse-Sorten einem optischen Relaunch unterzogen. „Die neue Ausstattung verbindet unsere über 130-jährige Brauerfahrung, die Frische und den fruchtig-würzigen Geschmack mit bayrischem Lifestyle. Die Resonanz, gerade auch aus der Gastronomie, ist sehr positiv.“

Der Absender Bayern spielt auch bei der Paulaner Brauerei eine wichtige Rolle für den Vermarktungserfolg. „Weißbier wird als eine echte bayrische Bierspezialität wahrgenommen“, erklärt Sprecher Johannes Rieger. „Nach wie vor ist deshalb die Nachfrage nach den klassischen naturtrüben Hefe-Weißbieren groß – ganz besonders in heißen Sommern wie dem vergangenen.“ Vor allem bei alkoholfreien Weißbieren und Weißbier-Mixen verzeichnet das Unternehmen hohe Wachstumsraten. „Paulaner ist hier gut aufgestellt: Mit dem Hefe-Weißbier Naturtrüb, dem Kristallweizen, dem Weißbier Dunkel, der Paulaner Isar Weisse sowie dem Hefe-Weißbier Alkoholfrei und dem Weißbier Zitrone Alkoholfrei verfügen wir über eine breite Produktpalette, um die Nachfrage zu befriedigen.“

Viel Wert auf den bayrischen Ursprung legt auch die Brauerei des Klosters Ettal, auch wenn ihr Benediktiner Weißbier längst in Kooperation mit der Bitburger Braugruppe im hessischen Lich produziert wird. Schließlich ist die Rezeptur unter Verwendung der Ettaler Kellerhefe original benediktinisch. Mit dem naturtrüben Weissbier, dem fruchtig-malzigen Dunkel und der alkoholfreien Variante deckt die Marke ebenfalls alle wichtigen Kundenbedürfnisse ab.

Breites Portfolio für jeden Geschmack

Obergärig, alkoholfrei und fruchtig, so lauten die Erfolgsformeln bei der Privatbrauerei Erdinger Weißbräu: „Wir verzeichnen gute Zuwächse bei unserem klassischen Alkoholfreien und bei den beiden Varianten Grapefruit sowie Zitrone“, berichtet Josef Westermeier, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb. Die saisonalen Spezialitäten Erdinger Schneeweiße und der Weizenbock Erdinger Pikantus erfreuen sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit. „Dabei hilft uns die Craft-Bier-Bewegung, denn sie ermutigt zu mehr Abwechslung, auch beim Weißbier. Dementsprechend setzen wir darauf, unsere ‚Spezial-Sorten‘ wie Erdinger Dunkel oder den Pikantus in der Gastronomie zu platzieren.“  

Geht es nach Jeff Maisel, sollte Weißbier in der klassischen Gastronomie im Idealfall vom Fass angeboten werden. In der Szenengastronomie sind dagegen eher trendige Mixes in Flaschen gefragt. Paulaner-Sprecher Johannes Rieger plädiert insgesamt für mehr Vielfalt beim Weißbier: „Es ist ein idealer Begleiter zu vielen Speisen. Entsprechend sollten Gastronomen sich hier breit aufstellen.“ Und keinesfalls auf eine alkoholfreie Variante verzichten. Denn Marktzahlen belegen, dass diese häufig als Alternative zu süßen Limonaden oder Saftschorlen bestellt wird.

Wie die Kulmbacher Brauerei machen sich die Hersteller Gedanken, mit welchen Maßnahmen sie ihre Produkte gemeinsam mit den Gastronomen nach vorne bringen können: „Es geht darum, Biergenuss zum Erlebnis zu machen“, Sagt Natalia Balacka. „Wir haben deshalb beispielsweise einen speziellen Krug für unser Kapuziner Kellerweizen entwickelt.“

Für weitere Absatzimpulse können Food Pairing-Empfehlungen sorgen, wie Juana Leister anmerkt: „Weißbier passt nämlich prima auch zu trendigen Bowls, Burgern oder Babaganoush aus der Levante-Küche!“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Aprilausgabe der Fachzeitschrift Fizzz.

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